Die Schönheit der Stille

Warum man auch als Kommunikationsberaterin der Meinung sein kann, dass weniger Output im Krieg um Aufmerksamkeit bisweilen gut täte.

Es ist ein Grauen. Und das Wehklagen auf allen Hierarchie-Ebenen groß: Nach außen Twitter, Instagram, Facebook, die CEO-Positionierung auf LinkedIn, womöglich noch TikTok. Plus all die Kanäle, die aus der alten Welt noch übriggeblieben sind, vom Newsroom mit seinen Presse-Infos bis zum Nachhaltigkeitsbericht. In der Internen Kommunikation ist das Schlachtfeld noch unübersichtlicher. Yammer, Sharepoint, diverse Chatrooms und Boards. Blickt noch irgendjemand durch? Zumindest der Channel Manager, der den „Content“ ohne viel Ahnung von der „Creation“ in die verschiedenen Töpfe zu füllen hat? Eher nicht. Doch der system-immanenten Logik entsprechend, wuchert die Kanallandschaft immer weiter. Weil es die anderen doch auch machen. Weil interne Profilierung lockt, wenn der Kommunikator den neuesten heißen Scheiß fürs Unternehmen erschließt. Bis alle so erschöpft sind, dass sie sich auf Clubhouse in virtuellen Schweigeräumen zur Ruhe betten.

 

Das Totholz entfernen

Klar sind kulturpessimistische „Früher-war-alles-besser“-Lamentos wohlfeil und wenig zielführend. Aber bitte, im Sinne unserer aller Nerven: Wann nehmen wir uns die Zeit, diesen Urwald zumindest rudimentär zu kartieren? Ihn mit ein wenig Distanz von oben zu betrachten, das Totholz zu entfernen und einmal gründlich zu überlegen, was darin wachsen soll – und welche Pflege nötig ist, damit das jeweilige Pflänzchen tatsächlich gedeiht? Das ist nicht immer noch mehr vom Gleichen. Das sind, was eigentlich jeder weiß, aber besser nicht zu laut sagt, nicht X-tausend CEO-Statements zu Themen, bei denen das Unternehmen in Wahrheit nicht allzu viel vorzuweisen hat. Ganz sicher sind es auch nicht die Fluten an SEO-optimierten Low-Cost-Stories, die unsere Timelines überschwemmen.

 

Konzentration auf den roten Faden

Macht weniger, aber macht es verflucht nochmal ordentlich – das ist mein Plädoyer. Erzählt vernünftig recherchierte Geschichten darüber, wie Eure Kunden dank Eurer Lösungen ein echtes Problem gelöst haben. Knallt die CEO-Rede nicht voll mit einer endlosen, rechtfertigenden Aufzählung der schon abgearbeiteten Hausaufgaben, sondern konzentriert Euch auf die eine, wirkliche Botschaft, den roten Faden. Nehmt die Dialoge ernst, die sich auf Social Media ergeben – und spinnt am besten neue Geschichten daraus. Erst recht gilt diese dringende Bitte um Relevanz für die Interne Kommunikation: Beantwortet die Fragen, die Mitarbeiter stellen, statt sie mit sekten-ähnlichen Mantras zu quälen. Wer fragt, zeigt Bindung und die Bereitschaft, sich auseinanderzusetzen. Fehlen ernsthafte Antworten, hält selbst der Gutwilligste irgendwann aus Selbstschutz den Mund. Das ist dann eine Form von Stille, die niemanden weiterbringt.

 

Lernen von der Musik

Ansonsten kann Stille wunderschön sein. Wie in der Musik, wenn auf die effektvolle Ruhepause ein ordentlicher Paukenschlag folgt und alle wieder zuhören. Unternehmen, die mich mit Marketing-Newslettern zuspammen, mir auf Social Media mit Nichtigkeiten das Hirn verkleistern, gehen mir schon heute unsagbar auf die Nerven. Und ich bin nicht die Einzige. Womöglich arbeitet die Unternehmenskommunikation an ihrer eigenen Abschaffung, wenn sie nicht zwischendurch mal gepflegt die Klappe hält.

Social Media

Congrats, Hans-Günther!

Natürlich, wer sich nicht professionell auf LinkedIn positioniert, existiert quasi nicht mehr. Aber muss das immer nach den gleichen, vorhersagbaren Mustern laufen? Eine Typologie.  

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